Qi Gong | 氣功
Traditionelle Chinesische Medizin in Bewegung
Was bedeutet Qi Gong?
Das Qi Gong auch bekannt unter dem Namen Ch'i Kung bedeutet in der wörtlichen Übersetzung "Kultivierung des Qi" oder "Kultur der vitalen Energie". Weitere Übersetzungsmöglichkeiten sind "Fertigkeit im Umgang mit Qi" oder "Lenkung des Qi".
Qi lässt sich unter anderem mit "Atem", "Dampf", "Hauch", "Temperatur", "Kraft" oder "Energie" übersetzen. Das gleiche Schriftzeichen wurde früher auch für "Sonne" oder "Feuer" verwendet und stand zeitweise auch für "Reis", da dieser wenn er gekocht wird einen angenehmen Dampf (eben seine Energie) freisetzt.
Da Qi aber weder Materie noch Energie darstellt und eine genaue Definition in der chinesischen Medizin auch nicht vorgenommen wird, stellt eine Übersetzung stets nur einen unvollständigen Teilaspekt dar. In keinem der berühmten Klassiker Chinas werden Spekulationen über Form oder Aussehen angestellt. Man versteht in China Qi allein durch sein Wirken.
Es scheint daher angebracht auf eine Übersetzung sowohl des Wortes "Qi" als auch des Begriffes "Qi Gong" zu verzichten. Zumal deren ungefähre Bedeutung auch hier in Europa immer mehr bekannt wird.
Was ist Qi Gong?
Qi Gong bezeichnet ein System, das Übungen zur Stärkung, Gesunderhaltung und Lenkung des Qi beinhaltet und wurzelt in der Philosophie des Taoismus.
Das Qi Gong lässt sich mehrfach unterteilen. Zum einen in die Begriffe "Nei Gong" und "Wai Gong", wobei Ersteres "innere Übungen" also die innere Bewegung des Qi bezeichnet und "Wai Gong" die "äußeren Übungen", also die körperliche Arbeit mit dem Qi bezeichnet. Für Nei Gong wird oft auch der Ausdruck "Jing Gong" (Ruhe-Übungen), die fast ohne Körperbewegung ausgeführt werden benutzt und für Wai Gong wird oft der Ausdruck "Dong Gong" (Bewegte-Übungen) verwendet.
Eine dritte Form des Qi Gong ist das "Hard Qi Gong", das vorallem Dingen von Kämpfern zur Abhärtung geübt wird und oft zu kaum erklärbaren Leistungen führt.
Je nach philosophischer Ausrichtung kann man Qi Gong unterteilen in die konfuzianische Schule (Rujia), die taoistische Schule (Daojia) und die buddhistische Schule (Fojia), wobei heutzutage sowohl in der praktischen Anwendung als auch im Ziel zwischen den einzelnen Richtungen selbst für Fachleute kaum noch zu unterscheiden ist.
Eine weitere Unterteilungsmöglichkeit wäre in die medizinische Richtung, die das Qi Gong vorwiegend unter Gesundheitsaspekten "Yijia" und die Richtung, die das Qi Gong vorallem unter dem Aspekt der Kampfkünste betreibt, dem "Wujia".
Weiterhin kann das Qi Gong noch in die im Vordergrund stehende Methodik unterteilt werden, zum einen in die "Schule der Stille" (Jing-Zuo-Pai), in der vorallem Dingen die Meditation betont wird, in die "Schule der bewußten Atmung" (Tuna-Pai), die vorallem Dingen mit Atemtechnik und Atemführung arbeitet. Letztendlich noch in die "Schule der inneren Alchemie" (Lian-Dan-Pai), die sich vorwiegend auf die Lenkung des Qi konzentriert.
Die Geschichte des Qi Gong
So wie die chinesische Kultur die älteste Menschheitsgeschichte darstellt, hat auch die Medizin in China eine für den Westen oft unfaßbar lange Tradition. So sind Qi Gong Übungen aus der Zeit um ca. 2700-2500 v.Chr. bekannt. Erste Aufzeichnungen gehen auch auf den legendären gelben Kaiser zurück. Auf die Zeit der Zhou-Dynastie (1100-771 v. Chr.) gehen Bronzetafeln zurück, auf denen Qi Gong Übungen beschrieben sind. Früher bezeichnete man Qi Gong auch als Yang Xing (das Lebensprinzip nähren). Ca. 600 v. Chr. haben chinesische Ärzte Qi Gong erstmals nachweislich in ihre therapeutische Praxis einbezogen. Konzept und Grundlage des Qi Gong entstand vermutlich zur gleichen Zeit wie die Theorie von Yin und Yang, Wu Chi und Qi. Gleichzeitig entstand die Theorie der 3 Kräfte: Himmel (Tian), Erde (Di) und Mensch (Ren). Die Beziehungen dieser drei Kräfte untereinander ist eine der Hauptaspekte des Qi Gong.
In der Zeit zwischen 200-400 n. Chr. kommt der Buddhismus nach China. Er nimmt die taoistischen Qi Gong Theorien auf und bereichert sie um die buddhistisch-indische Tradition. Zu dieser Zeit wird in fast allen buddhistischen und taoistischen Schulen Qi Gong gelehrt. Der Sinn des Qi Gong ist nicht mehr auf seine rein medizinische Wirkung beschränkt sondern man strebt mit seiner Hilfe auch dem Pfad der Erleuchtung an. Es wandelt sich also zu einem System, daß nun auf Körper, Geist und Seele wirkt.
In der Zeit zwischen 520-550 n. Chr. erreicht Boddhidharma, der 28. Patriarch des Buddhismus China. Er entwickelt im Shaolin Kloster den Chan-Buddhismus. Er begründet in den Jahren seines Wirkens im Shaolin Kloster den Grundstein für das sehr kriegerisch orientierte Qi Gong des Shaolin Tempels (Shaolin Nei Gong). Unter anderem dadurch vermischt sich das buddhistische und das taoistische Qi Gong so stark, daß sie heute kaum noch zu unterscheiden, geschweige denn zu trennen sind. Sinn der Shaolin Übunge ist die Vermittlung von mentaler und körperlicher Stärke, Harmonie und Gesundheit.
Während der Zeit der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde in die Kampfsysteme von Shaolin immer mehr Qi Gong eingebaut und schließlich die gesamten Kampfkünste von Shaolin fast vollständig auf den alten Qi Gong Systemen aufgebaut. (Wuxingxi = Tierspiele; Yue Yuan, Bai Yu Feng, Dr. Li Cheng). Einen weiteren großen Einfluß auf das Qi Gong hatte auch der im Shaolin Kloster ausgebildete General Yue Fei, der das Baduanyin entwickelte.
Während der Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644 n. Chr.) und Qing-Dynastie (1644-1911 n. Chr.) erfreut sich das Qi Gong in ganz China größter Popularität. Erst mit dem Opiumkrieg (1840 n. Chr.) geht mit der Beliebtheit der Kampfkünste auch die der TCM und damit auch des Qi Gong zurück. Während der Zeit der Kulturrevolution (1966-1967) mussten viele Qi Gong Meister unter dem Druck der Verfolgung ins Ausland fliehen. Seit dem Ende der Kulturrevolution erlebt die chinesische Medizin wieder ein immer stärkeres Aufsteigen und einen immer größeren Zulauf, auch im Westen (Europa, USA) und wird in China selbst gleichberechtigt neben der Westlichen praktiziert.
Die Wirkung des Shaolin Nei Gong
Die theoretischen und teilweise praktischen Grundlagen des Shaolin Quanfa gründen auf dem Qi Gong. Hier ist aber anzumerken, daß das Qi Gong mit seinen Methoden die vorbereitende Grundlagen für das Quanfa bilden. Das Qi Gong selbst hat die Aufgabe den Geist zu schulen, hohe Reaktionsfähigkeit zu erzielen, Schmerzen nicht wahrzunehmen und den Körper möglichst unempfindlich zu machen. Dabei enthält das Qi Gong selbst noch keine Kampfverfahren.
Das Shaolin Neigong baut wie alle anderen Stile des Qi Gong auch auf der Regulierung als Grundlage auf. Die Shaolin harmonisieren nacheinander verschiedene Bereiche und bringen sie dann miteinander in Einklang. Dabei ist zu berücksichtigen daß keiner der Aspekte für sich alleine steht. Viel mehr wirken sie alle aufeinander sodaß eine Regulierung in allen Bereichen vorgenommen wird. Man kann diese Bereiche wie folgt unterteilen:
1. Die Regulierung des Körpers (Tiao Sheng):
Damit das Qi ungehindert fließen kann spielt die Öffnung der Meridiane und Punkte eine große Rolle. Diese erreichen wir durch die richtige Körperhaltung. Sie bildet somit die Grundvorraussetzung für wirkungsvolles Qi Gong.
2. Die Regulierung der Atmung (Tiao Xi):
Im Austausch von verbrauchtem Qi gegen neues Qi spielt die Atmung eine wichtige Rolle. Sie wird damit zum wichtigen Lieferanten neuer Energie.
3. Die Regulierung des Geistes (Tiao Shen):
Von größter Bedeutung für die Übungen des Qi Gong ist geistige Ruhe und emotionale Mitte. Sie werden erreicht durch die Kombination von Haltung, Bewegung, Atmung und Meditation.
4. Die Regulierung des Qi (Tiao Qi):
Durch die Beherrschung der vorgenannten Prinzipien schafft man die Vorraussetzung das Qi bewußt lenken und in bestimmten Bereichen des Körpers sammeln zu können.
Ein wichtiger Aspekt des Shaolin Neigong ist das Neiyanggong (innere erhaltende Übungen). Hierbei geht es um meditative Atemübungen ohne Körperbewegungen. Dabei ist zu beachten, daß der Geist entspannt und heiter sein soll. Alle Gedanken die stören könnten sind aufzugeben. Ein weitere wichtiger Punkt ist eine entspannte und aufrechte Haltung. Wobei diese sitzend oder liegend eingenommen werden. Die Augen sind dabei halb geöffnet fixieren aber nichts. Der Mund ist geschlossen.
Die erste mit Fang bezeichnete Übung ist das Lockern. Dabei atmet man im eigenen Rhythmus und dann atmet man durch den Mund aus und versucht bewußt alle Körperregionen angefangen beim Kopf bis zu den Füßen zu entspannen.
Eine Beispielübung aus dem Neiyanggong, daß dem Tiao Xi zuzuordnen ist: Ein- und ausgeatmet wird durch die Nase bei der Einatmung liegt die Zunge hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumen. Die Luft wird zunächst kurz angehalten und danach ausgeatmet. Während dieser Zeit denkt man an ein vorgegebenes Wort, z.B Neigong. Späterhinaus wird die Anzahl der Wörter bis auf 9 gesteigert.
Eine weitere heute sehr geläufige Art des Qi Gong, daß sich aus dem Shaolin Neigong entwickelt hat, ist das Baduanjin (8 Brokate), die heute meist in Verbindung mit Kampfkünsten wie dem Taiji zu finden sind. Dabei sind alle Bewegungen mit Atem-, Geist- und Qikontrolle koordiniert. Baduanjin, das in mehreren Formen und Variationen auftritt ist durch seine Art auch von schwachen und kranken Menschen auszuführen, da es auch im sitzen und liegen praktiziert werden kann. So findet es Anhänger aller Altersstufen.
Das Fundament aller Shaolin Kampfkünste
Da das Shaolin Quanfa fest auf dem Fundament des Qi Gong aufbaut, ist die Shaolin Kampfkunst ohne Qi Gong kaum realistisch zu praktizieren. Es ist Grundlage, Basis und Seele aller Shaolin-Stile.